Dienstag, 23. September 2008

13.9.2008

13. September 2008, Reggio Emilia

Heute Mittag haben meine Eltern „Reggio nell’ Emilia“, wie es richtig heißt, verlassen. Es ist mittlerweile der dritte Tag, den ich hier verbringe, doch im Rückblick kommen mir die Ereignisse der vergangenen Tage vor, als wären es bereits 2 Wochen gewesen.

Doch zuerst einmal von Anfang an:

Mein Eltern haben sich netterweise bereit erklärt mit mir und meinem gesamten Gepäck nach Reggio zu fahren und dort, quasi als angenehmem Nebeneffekt, einige Tage Kurzurlaub zu machen. Das war, wie sich bald herausstellte, vor allem im kulinarischer Hinsicht, eine hervorragende Idee.
Wir haben Österreich am Dienstag, dem 9. September, verlassen. An diesem ersten Tag, fuhren wir bis „Noventa di Piave“, in der Nähe von Venedig, und übernachteten dort im Hotel „Villa Leon d’Oro“, welches wir bereits von unserer Heimfahrt aus Korsika im Jahr 2003 kannten. Wir buchten dort ein 3-Bettzimmer. Anfangs hatte ich etwas Bedenken, da mein Vater sehr gerne – womöglich nicht unbedingt gerne, aber zumindest oft – schnarcht. Nachdem wir uns, nach dem check-in, in unserem Zimmer etwas erholt hatten, machten wir uns so gegen 20:00 auf den Weg zur Pizzeria „Cin Cin“, die wir ebenfalls bereits seit unserer Korsika-Rückreise kannten. Das Essen war, wie erwartet, hervorragend und ich durfte erstmals meine, zugegebenermaßen etwas eingerosteten Italienischkenntnisse, gewinnbringend einsetzen: „Bitte einen Tisch draußen für 3 Personen.“ - „Eine Flasche Mineralwasser mit Kohlensäure und eine Karaffe Wein“ - „Dürfen wir den Tisch wechseln? Wir wollen den Rauch unserer Tischnachbarn nicht beim Essen.“
Ich war schon fast ein bisschen stolz auf mich. Meine letzte Italienischstunde war ja doch schon vor mittlerweile über 5 Jahren.
Nach diesem, sowohl kulinarisch, als auch linguistisch, interessanten Abend und einem kleinen, erfrischenden Spaziergang zurück zum Hotel fielen wir ins Bett und schliefen herrlich. Ich war dermaßen übermüdet von den vorhergegangenen Einpack- und Reiseprozeduren, dass mich nicht einmal das Schnarchen meines Vaters daran hindern konnte herrlich zu schlafen und, nebenbei bemerkt, die abstrusesten Träume zu träumen. Um diese näher zu erläutern würde sich fast schon ein eigener Blog auszahlen.
Nach einer erholsamen Nacht im Hotel „Zum goldenen Löwen“, wie der Deutschsprachige zu sagen pflegt (Hotels bzw. Straßen „Leon d’Oro“ gibt es hier übrigens in nahezu jeder Stadt…irgendwas haben die hier mit den Löwen) ging es also weiter Süd-wärts Richtung Bologna, dann weiter West-wärts über Modena nach Reggio nell’ Emilia.

Der erste Eindruck:
Und hier waren wir also. Der erste Halt war direkt bei der Universität im Stadtkern. Das Uni-Gebäude besteht aus einem Grundgerüst, das noch aus dem Mittelalter erhalten geblieben ist. Es macht wirklich einen sehr alt-ehrwürdigen Eindruck. Die Verantwortliche für die Studentenresidenz, Letizia Musto, una donna molto simpatica, hat ihr Büro direkt im Gebäude der Fakultät und nicht bei dem Appartement-Haus in dem ich wohnen sollte.
Sobald man das Gebäude betreten hat, fühlt man sich wie in einem eigenartigen Raum-Zeit-Spalt. Die Jahrhunderte alte Bausubstanz wurde von innen einfach ausgehöhlt und mit modernsten Materialien renoviert. In hohen, weitläufigen, breiten Gängen befinden sich Büroräume und Hörsäle, alles wird von weißen Wänden mit großen Glasfenstern abgetrennt. All das befindet sich im Erdegeschoss unter einem orange-rot gefärbten Gewölbe. Die beiden oberen Etagen werden von einer holzbalkengestützten Zwischendecke getrennt. In den ersten Stock gelangt man entweder über einen gläsernen Aufzug, oder die Treppen, die sich rund um den Aufzugschacht winden. Da die Etagen, wie bereits erwähnt, sehr hoch sind, sind es auch dementsprechend viele Treppen. Nachdem ich also, mutig und entschlossen, und vom Stiegen-Steigen etwas außer Atem, das richtige Büro im ersten Stock gefunden hatte erwartete mich die erste große Hürde:
Das Zimmer, in dem Signora Musto, laut ihrem mail sein sollte, war ein Doppelbüro. Einer der beiden Schreibtische war von einer Frau besetzt, draußen an der Tür hing ein Schild, auf dem ich den Namen Letizia Musto vergeblich suchte. Vorsichtig streckte ich meinen Kopf hinein und fragte die dort sitzende und sehr beschäftigt aussehende Dame, auf italienisch natürlich, ob sie diejenige sei, die ich suchte. Die Antwort, die ich bekam, war leider viel ausführlicher und komplizierter (und vor Allem in einem viel höheren Tempo), als ich erhofft hatte. Mein Gesicht, das unglaublich hilflos ausgesehen haben muss, musternd, auf der Suche nach einem Funken Verständnis fragte mich die Dame mitleidig, ob ich denn überhaupt Italienisch spräche. Ich nickte und meinte ich verstünde es schon, nur nicht so schnell und mit so vielen Vokabeln, die ich noch nie in meinem Leben gehört hatte. Die Frau schien meine Situation zu verstehen, erhob sich von ihrem Bürostuhl und ging an mir vorbei, aus dem Büro hinaus, in einen anderen Raum, in dem sich, wie sie mir, so glaube ich, vorher zu verstehen geben versuchte, Signora Musto gerade in einer Besprechung befand. Ich war erleichtert.
Frau Musto begrüßte mich sehr freundlich. Wir klärten den ganzen formellen Kram zuerst einmal auf Englisch ab. Dann, nach einem kleinen Rundgang durchs Haus, fuhr uns ein Fahrer zum Appartement-Haus. Meine Eltern, die die ganze Zeit – ich habe nicht die geringste Ahnung, wie lange es tatsächlich war – draußen im Auto warteten, folgten uns mit meinem ganzen Gepäck dorthin.
Als Signora Musto mir das Appartement zeigte, konnte ich zunächst überhaupt nicht fassen, dass das alles Realität war.

Die Wohnung:
Ich bewohne hier ein Appartement, das eigentlich für 2 Personen gedacht ist, ALLEINE, da ich der einzige Bursche unter allen internationalen Studenten (oder eben besser Studentinnen), die hier wohnen, bin. Die Wohnung ist in etwa 50-60 qm groß und hat alles, was man zum Leben braucht. Einen Herd, eine Waschmaschine, eine Mikrowelle, einen Eiskasten, eine Badewanne, natürlich ein Klo und sogar ein Bidet ^^ und ist voll möbliert mit Küchenzeile, 2 Sofas im Wohnzimmer, 2 Schreibtischen, einer Kommode, 2 Kleiderschränken, einem Schuhkasten und einem Esstisch. Nun ja…dass ich hier alleine wohne ist so nicht ganz richtig. In jeder Ecke hängt ein schönes Spinnennetz mit einer dünnen, mehr oder weniger großen, langbeinigen Mitbewohnerin (bzw. Mitbewohner…Ich habe die geschlechtsspezifischen Unterscheidungsmerkmale bei Spinnen während meines 1jährigen Ausflugs in die Welt der Biologie leider nicht ausreichend kennen gelernt). Ich zeige einigen meiner Mitbewohner bei Gelegenheit und bei zu großer Gefahr von Körperkontakt – was ja, wie wir wissen bei WG-Partnern eher nicht sein sollte – die Türe. Alle möchte ich, ganz abgesehen davon, dass ich sowieso nie ALLE erwischen würde, nicht rauswerfen, da sie mir andere lästige Mitbewohner, wie Gelsen und ähnliches Getier ja auch vom Hals halten. Vor fast jedem Fenster habe ich meine eigenen, ganz individuellen „Gelsennetze“…sehr praktisch. Frau Musto erklärt mir, dass ich nach Möglichkeit nicht alle Stromverbraucher in der Wohnung gleichzeitig laufen lassen sollte, da sonst der FI-Schalter alles lahm legt. Damit kann ich leben…außerdem funktionieren Eiskasten und Mikrowelle ohnehin nicht gleichzeitig, da diese beiden einen großen Steckkontakt benötigen, von denen es in der Wohnung nur 2 gibt. Dumm nur, dass mein Laptop ebenfalls einen solchen großen Steckkontakt benötigt. Ich kann mir also aussuchen: Entweder ich benutze den Laptop im Wohn-/Esszimmer und muss parallel dazu den Eiskasten abstecken, oder ich arbeite im Badezimmer, stehend, den Laptop auf der Waschmaschine zwischengelagert…dann ist es eigentlich ein „Washing-Machine-Top“…ein Adapter für die anderen, kleinen 3er-Steckkontakte muss also her. Warum um alles in der Welt hat die EU DIE eigentlich noch nicht normiert?!?!?!
Aber egal…das sind ja alles Kleinigkeiten. Ich lasse mir die tolle Wohnung davon nicht vermiesen.

Nachdem ich die Wohnung besichtigt hatte, fuhr ich mit meinen Eltern zu dem, bereits von ihnen gebuchten Hotel, ein paar Kilometer entfernt von meiner Bleibe. Die wohnten in einem gar nicht so kleinen und feinen Hotel mit Pool. Ich werde das Zimmer meiner Eltern nicht näher erläutern, um den Lesern des Blogs viel Zeit zu ersparen. Nur soviel…die Tapeten(!) waren über und über voll mit Blumen. Nicht jedermanns Sache…aber irgendwie süß ^^.

Am Abend fuhr ich mit meinen Eltern ins Stadtzentrum.
Der historische Stadtkern ist einfach unglaublich schön. Es gibt 2 große sehr zentrale Plätze, mehrere, alte Kirchen, und alles ist durchzogen von kleinen Gässchen, gespickt mit kleinen Spezialitäten-Läden, Kleidungsgeschäften und Café-Häusern. Es ist so, wie man Italien in einem Lexikon anhand eines Bildes symbolisieren würde. Fast schon zu klischeehaft. Aber schön.
Das Abendessen in dem wirklich ausgezeichneten, wenn auch teuren Restaurant, war einmalig. Unvergleichliche Qualität der Zutaten gepaart mit herrlich mediterranem Flair und ersklassigem Service machte dieses Abendessen zu etwas ganz Besonderem. Ich kann mir keine bessere Art vorstellen, wie man sich auf einen längeren Auslandssemester-Aufenthalt einstimmen kann.

An den folgenden 2 Tagen, also Donnerstag den 11.9. und Freitag den 12.9 besichtigten wir Parma und Mantova. Ich möchte diese 2 Tage in einem Satz zusammenfassen: Wahnsinnig schönes Wetter, unwahrscheinlich gutes Essen (Parma….ja DAS Parma…Parmaschinken, ganz recht) und malerische mittelalterliche Domplätze, Gässchen und Castelli. Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. An beiden Tagen genossen wir die Abende wieder in Reggio und es fällt mir schwer aus den insgesamt 3 verschiedenen Restaurants (inklusive dem am ersten Abend) in denen wir gegessen haben das Beste auszuwählen. Diese Qualität der Speisen zu vergleichsweise moderaten Preisen – davon kann sich die Gastronomie in Österreich mehr als nur ein Scheibchen abschneiden.

Der Bogen schließt sich
Nun sitze ich also, an meinem mittlerweile dritten kompletten Tag in Reggio an meinem Schreibtisch und schreibe diesen ersten Blogeintrag und genieße den lauen Spätsommerabend. Weitere Einträge folgen. Gute Nacht.
PS.: Da ich erst ab Montag Internetzugang in der Universität haben werde, kommt dieser Eintrag mit 2 Tagen Verzögerung. Ich bitte um Entschuldigung J.

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